Presse | Hannover Messe 1990

Text auf dem Einladungsfaltblatt
Frau+Technik - die Alternative der Zukunft
Hannover Messe Industrie ’90

das bedeutet die größte Investitionsgüterschau der Welt, die Präsentation der Technik überhaupt. Ein teures Spektakel, geprägt von Männern, männlicher Technik und männlichem Selbstdarstellungswillen.
Mit einem »kleinen, bescheidenen« Stand wollen wir das Thema Frau + Technik präsentieren.
Wir zeigen dabei Flagge und machen deutlich, es gibt auf dieser Messe nicht nur Frauen, die Kaffee kochen, sondern auch Frauen, die sich kompetent und engagiert mit Naturwissenschaft und Technik befassen.
Organisiert und veranstaltet wird dieser Stand vom:

  • Deutschen Akademikerinnenbund e.V.
  • Deutschen Ingenieurinnenbund e.V.
  • Frauen im Ingenieurberuf /Ausschuss im VDI
.... von mehr als 50 Frauen aus diesen Verbänden, die in ehrenamtlicher Arbeit und mit viel Engagement die Organisation und den Standdienst leisten.

Unsere Zielsetzungen:
Junge Frauen über unsere Berufsfelder und Tätigkeiten zu informieren. Sie zu ermutigen, einen technischen oder naturwissenschaftlichen Beruf zu erlernen. Ihnen zu zeigen, dass uns unsere Berufe Spaß machen und sie so für Berufe mit Zukunft zu gewinnen (deshalb auch in der Halle „Jugend und Technik“).
Mit männlichen Kollegen, Vorgesetzten, PolitikerInnen, und PressevertreterInnen ins Gespräch kommen, um Vorurteile abzubauen.
Schließlich auch die eigene Zunft zu stärken und den wenigen Frauen in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen, die vereinzelt auf der Messe zu finden sind, Mut zu machen und Anlaufstelle zu sein.
Langfristige Zielsetzung ist, Werbung für »Frau + Technik« überflüssig zu machen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.




Veranstaltungen
  • Pressekonferenz
  • Podiumsdiskussion im Forum: Europäischer Vergleich mit Frauen aus der ehemaligen DDR, Frankreich, Niederlande, Österreich, der Schweiz und der damaligen BRD
  • Begleitete Messerundgänge



Schlagzeilen über unseren Stand
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Resumeé des Standes ’90
Frau+Technik - die Alternative der Zukunft

Eine Litfaßsäule weist von weitem den Weg, ein vertikaler Schriftzug: Frau+Technik. Daneben eine Karikatur von Marie Marcks: Atlas müht sich mit der Weltkugel ab, eine Frau steht neben ihm und empfiehlt in einer Sprechblase »Roll doch das Ding, Blödmann!«

An diesem Stand in der Halle »Jugend und Technik« stehen Ingenieurinnen und Naturwissenschaftlerinnen um zu zeigen, dass es auf der Hannover Messe Industrie, dem großen Spektakel der Technik, nicht nur Frauen gibt, »die Kaffee kochen«. »Wir wollen deutlich machen, wir wissen kompetent mit der Technik umzugehen. Wir haben interessante und abwechslungsreiche Berufe und üben sie gerne aus«, sagt Dipl.-Ing. Maren Heinzerling. Temperamentvoll erläutert sie den jungen Besucherinnen, welche Eigenschaften von Frauen jetzt und in der Zukunft in der Industrie gefordert sind: Teamfähigkeit, Kreativität, Organisationstalent, Sensibilität.

»Wir haben unseren Stand hier in der Halle »Jugend und Technik«, um jungen Frauen vor der Berufsentscheidung mit unserem persönlichen Beispiel Mut zu machen«, erläutert Dipl.-Ing. Dipl.-Wirtsch.-Ing Barbara Leyendecker, die das Messe-Projekt zum dritten Mal leitet. »Es kommt uns aber nicht nur auf die Messe-Besucher- und -besucherinnen an, sondern wir schätzen auch die Breitenwirkung des Standes über die Messe hinaus. So war die Presseresonanz hervorragend, und die am Stand beteiligten Verbände Deutscher Akademikerinnenbund (DAB), Ausschuss »Frauen im Ingenieurberuf« des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) und Deutscher Ingenieurinnenbund (dib) sind als kompetenter Partner in Sachen »Frau+Technik« sehr bekannt geworden. Wir arbeiten mit Ministerien, Frauenbeauftragten, dem Arbeitsamt und Universitäten in anderen Projekten zusammen«.

»Im Grunde stellen wir uns auch selbst aus«, erklärt Chris Schuth. Sie verweist auf ausliegende Lebensläufe mit Lichtbild, in denen Frauen ihren eigenen Berufsweg beschreiben und so sehr persönlich über z.B. Maschinenbau, Elektrotechnik, Verfahrenstechnik, Informatik, Chemie, Mathematik informieren.

Eine Literaturliste gibt weitergehende Hinweise auf das Thema Frau+Technik. Bewerbungstips für Studentinnen ergänzen das Informationsmaterial.

Gegenwärtig ist die Zahl der Frauen in Naturwissenschaft und Technik sehr gering. 2-3 % in Maschinenbau und Elektrotechnik, ca. 10 % in der Architektur. »Die wenigen Frauen kämpfen mit festverwurzelten Vorurteilen, die nichts mit der fachlichen Kompetenz zu tun haben. Daher ist es für uns auch wichtig, mit dem normalen Messebesucher, Geschlecht männlich, als Vater, Kollegen oder Vorgesetzten ins Gespräch zu kommen«, so Dipl.-Ing. Birgit Zich. Sie heftet einem interessiert aussehenden Messebesucher einen Button »Frau+Technik« ans Revers. »Als Minderheit in einem bisher männlich dominierten Berufen müssen wir uns täglich durchsetzen. Diese Situation kann nur besser werden, wenn mehr Frauen in die Technik kommen«, sagt sie. »Dies ist aber nicht der einzige Grund, warum wir uns hier engagieren«, wirft Dipl.-Ing. Jutta Saatweber ein. »Wir wissen, dass Frauen für technische Zusammenhänge begabt sind und dass unsere Berufe Zukunft haben«.

An dieser Stelle ziehen die Frauen der Verbände am gleichen Strang mit der Industrie. Industrieunternehmen haben erkannt, dass der zukünftige Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften nur zu decken ist, wenn das Potenzial der Frauen ausgeschöpft wird. Verschiedene Unternehmen haben Frauenförderpläne verabschiedet und werben damit. Heute ist es fast selbstverständlich, dass in Stellenanzeigen Diplom-Ingenieur/Diplom-Ingenieurin inseriert wird, vor einigen Jahren noch fast undenkbar.

Industrieunternehmen und ihre Verbände sponsern auch diesen Messestand, wie die Sponsorentafel zeigt. Unternehmen in der Metall-, Elektroindustrie, Chemie- und Automobilfirmen sind darunter. »Dies ist auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Unsere Verbände können den Stand nicht mit ihren Mitgliedsbeiträgen finanzieren, deshalb sind wir auf Spenden angewiesen. Wir selbst bringen unsere Arbeit ehrenamtlich ein«, erklärt Dipl.-Ing. Karin Diegelmann. Insgesamt sind etwa 40 Frauen bei der Vorbereitung und Durchführung des Messeprojektes beteiligt und erbringen damit eine Eigenleistung von fast DM 100.000. Das ist immerhin mehr als das Doppelte von dem, was die Verbände in der Industrie einwerben können.

Auch auf der politischen Ebene reift allmählich die Erkenntnis, dass Frauen für naturwissenschaftliche und technische Berufe gewonnen werden müssen, um die Wirtschaft in einem technologieorientierten, rohstoffarmen Land auf dem hohen Niveau halten zu können. So besuchten in den beiden ersten Jahren Frau Süssmuth und Bundeskanzler Kohl den Stand, in diesem Jahr sprachen die Senatorin für Wissenschaft und Forschung aus Berlin, Frau Prof. Riedmüller-Seel und die Bildungsministerin aus Schleswig-Holstein, Frau Rühmkorf, sowie die niedersächsische Finanzministerin, Frau Breuel und die FDP-Politikerin, Frau Adam-Schwaetzer, mit den Frauen am Stand. Der Bundesbildungsminister wirbt am Stand der Bundesregierung mit Broschüren und Aufkleber: Typisch die neuen Mädchen!....in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik. Die niedersächsische Frauenbeauftragte präsentiert, auch in der Halle 22, eine Ausstellung: Mädchen können mehr! Berufswahl als Chance.

Am Stand herrscht nun drangvolle Enge. Eine Gruppe von Schülerinnen aus Wiesbaden ist eingetroffen. Claudia Imhoff, Studentin der Produktionstechnik, wird mit ihnen einen Messerundgang machen. »Frauen erklären Frauen Technik. Wir hoffen mit diesem Angebot bei den Mädchen Technikdistanz abzubauen«.

»Bis wir wirklich in Technik und Naturwissenschaften adäquat vertreten sein werden, ist noch ein weiter Weg«, erkennt Barbara Leyendecker. »Eigentlich müsste man flächendeckend über die ganze Republik und jedes Jahr wieder die Schülerinnen ansprechen«.

Marie Marcks zeigt in einer anderen Karikatur diese wahrhaft paradiesischen Zustände: Mädchen tummeln sich auf einem Baum, dessen Krone aus dem Wort TECHNIK und dessen Stamm aus dem Wort MATHE besteht. Sie werfen einem kleinen Jungen einen Apfel zu: »Willst Du auch was vom Baum der Erkenntnis?«

29. Juni 1990 Barbara Leyendecker



1990

Frau + Technik
zum 3. Mal auf der Hannover Messe Industrie
von Barbara Leyendecker

Als engagierte Frauen aus Naturwissenschaft und Technik sind wir angetreten, um junge Mädchen von diesen Berufsmöglichkeiten zu berichten und für eine solche Berufswahl zu gewinnen. Wir haben uns selbst ausgestellt mit der Botschaft: »Seht her, in der männerdominierten Technik gibt es auch Frauen. Wir gehen kompetent mit Naturwissenschaft um, Technik macht uns Spaß“. Die Halle »Jugend und Technik« war der bestmögliche Ansprechort.

Mehr Ingenieurinnen
Wir sind uns ganz sicher, dass unsere Berufe auch Berufe für Frauen sind und wollen mehr Frauen dafür gewinnen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt arbeiten wir noch ziemlich vereinsamt. Wir haben keine fachlichen Probleme an unserem Arbeitsplatz. Die Probleme entstehen eher aus unserer Situation als Minderheit in einem bisher als männlich angesehenen Beruf.
Dies kann nur besser werden, wenn mehr Frauen in diese Tätigkeitsfelder drängen. Da es noch immer wenig technische Frauen in der Bundesrepublik gibt, ist es deshalb wichtig, dass sich die wenigen Ingenieurinnen kennen und zusammen finden. Der Messestand trug dazu ganz erheblich bei. Ein enges Netzwerk wurde dadurch aufgebaut.

Auswirkungen
Der Aufwand für das Messe-Projekt wäre sehr hoch anzusehen, wenn wir nur Schülerinnen als Zielgruppe gesehen hätten. Wir haben mit dem Projekt versucht, auf vielen Ebenen gleichzeitig Überzeugungsarbeit zu leisten. Der Stand mit seinen Aktivitäten war unser Forum, um hartleibige Vorurteile abzubauen. Wir haben viele Kontakte zu Firmen, Verbänden, Institutionen und staatlichen Stellen durch unsere Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bekommen, die wir auch weiter für die Arbeit in unseren Verbänden nutzen wollen.

Günstige Zeiten
Aufgrund unserer Initiativen und den daraus erwachsenden Folgeaktivitäten ist es uns gelungen, die Frauen in Technik und Naturwissenschaften sichtbar zu machen. Wir können unseren Erfolg nicht mit messbaren Fakten belegen, etwa durch einen signifikanten Anstieg der Studienanfängerinnen. Soviel können wir neben der Berufstätigkeit ehrenamtlich nicht leisten. Aber wir haben das sichere Gefühl, etwas angestoßen zu haben.
Unsere Aktivitäten haben zu einem günstigen Zeitpunkt begonnen. Politik und Industrie werben zunehmend Frauen für technisch-naturwissenschaftliche Berufe, um den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in der Zukunft decken zu können. Dies gibt uns die Chance, unsere Ideen wie beispielsweise die Hannover Messe oder den Mädchen-Technik-Tag mit finanzieller Unterstützung der Industrie umzusetzen.
Wir sehen eine Gefahr darin, dass Frauen in der Technik nicht mehr gefragt sind, wenn der Trend vorüber ist. Zu diesem Zeitpunkt werden wir aber so stark und so viele sein, dass wir kompetente Frauen uns nicht mehr aus Naturwissenschaft und Technik herausdrängen lassen!

Was ist die Messe wert?
Sponsoren aus der Industrie zu finden wird immer schwieriger, trotz des gestiegenen Bekanntheitsgrades und der Anerkennung für unsere professionelle Pressearbeit und Standgestaltung auf zwei Hannover Messen.
Der Aufwand, um an einen Betrag von 1000 Mark zu kommen, ist größer als der Gegenwert auf der Messe.
Wir haben für dieses Projekt etwa 40.000 DM von Sponsoren erhalten. Das reicht für wenig mehr als die Standmiete. Auf unsere Anfragen bei der Deutschen Industrie bekamen wir meist nicht mehr als 1.000 bis 2.000 Mark.
Unsere ehrenamtliche Eigenleistung dagegen beträgt mehr als tausend Ingenieurinnenstunden pro Projekt, das sind jedesmal zwischen 80.000 und 100.000 Mark. In der Breiten- und Langzeitwirkung glauben wir, mehr erreicht zu haben als mit Geld ausgedrückt wird:

Eine Alternative für die Zukunft von Frauen und Männern in Beruf und Familie.